Seit über einem Jahr überfluten immer mehr neue Modelle das E-Mountainbike-Segment – leider nach wie vor mit oftmals nicht ganz stimmigen Konzepten, Antriebs- sowie Fahrwerksdesigns. Achtlos ausgestattete Bikes finden sich hier genauso wie höchst durchdachte und ausgeklügelte Gesamtkonzepte, die von Grund auf für diesen Einsatzzweck konstruiert wurden. Zum Debüt des ersten umfassenden Biketests haben wir keine Kosten und Mühen gescheut, um mit erfahrenen Profi-Mountainbikern, Ingenieuren, Bike-Guides sowie „Laien“ vielschichtige und reflektierbare Testergebnisse zu erzielen und vor allem Ordnung und klare Anhaltspunkte zum Kauf eines E-Mountainbikes zu liefern. Was taugt, was macht Sinn und was ist totaler Unsinn – all das lest ihr in unserem großen E-Mountainbike-Test.

Update (November 2015)

In diesem Test vom September 2014 haben wir die spannensten E-Mountainbikes des Jahrgangs 2015 unter die Lupe genommen. Seit dem hat sich einiges am Markt getan und so warten die Hersteller mit vielen neuen Modellen für 2016 auf. Wer also aktuell auf der Suche nach einem E-Mountainbike ist, dem empfehlen wir unseren großen Vergleichstest mit neun aktuelle E-Mountainbikes für 2016.

Das Bikehotel Steineggerhof dient uns während des Test als Basislager und ist der perfekte Ausgangspunkt für anspruchsvolle Touren.
Das Bikehotel Steineggerhof dient uns während des Test als Basislager und ist der perfekte Ausgangspunkt für anspruchsvolle Touren.

Wir haben 10 der aktuell interessantesten E-Mountainbikes zu diesem großen Biketest eingeladen. Vom frontgefederten Hardtail bis hin zu potenten vollgefederten Full-Suspension-Bikes mit bis zu 160 mm Federweg hatte unser Testfeld alles zu bieten. Den perfekten Ort, um die Bike auf Herz und Nieren zu testen, fanden wir im schönen Südtirol: Traumhaftes Wetter, geniale Trails und endlos viele Höhen- wie Tiefenmeter boten eine würdige Kulisse für diesen Test der Superlative.

Das Fahrwerk hat enorme Auswirkungen auf das Fahrverhalten eines Rades und so galt es vor dem Test die Räder exakt auf die einzelnen Fahrer abzustimmen
Das Fahrwerk hat enorme Auswirkungen auf das Fahrverhalten eines Rades und so galt es vor dem Test die Räder exakt auf die einzelnen Fahrer abzustimmen
Neben dem korrekten Negativfederweg (SAG) muss auch die Zugstufendämpfung angepasst werden.
Neben dem korrekten Negativfederweg (SAG) muss auch die Zugstufendämpfung angepasst werden.

Am Anfang steht die Frage: Was zeichnet ein gutes E-Mountainbike aus?

Ist es der Motor? Schließlich sorgt er für die extra Kraft und ist so für jeden im Fahrbetrieb deutlich spürbar. Im Test fanden sich drei verschiedene Antriebskonzepte ein. Neben dem – an den meisten Rädern verbauten – Bosch-Performance-Antrieb wird an dem GIANT Full-E ein Yamaha-SyncDrive-C-System und am Focus THRON ein Impuls-II-Sport-Motor eingesetzt. Während der Yamaha-Motor mit 250 W Dauerleistung und 600 W Spitze in Kombination mit 60 Nm Drehmoment über die meiste Leistung verfügt, überzeugt der Bosch-Motor mit gewohnt guter Gesamtperformance, bei der vor allem die konstante Leistungsentfaltung überzeugen kann.

Aber auch der Impulse-II-Antrieb verrichtet einen sehr guten Dienst und besticht obendrein mit durchdachten Details wie dem Shift-Sensor, welcher beim Schaltvorgang kurzzeitig den Kraftfluss unterbricht und so Kette, Ritzel und Schaltwerk schont. Bei ihm ist die Kraftentfaltung feinfühliger mit dem Tritt des Fahrers gekoppelt, wodurch es bei unrundem Trittmuster zu Leistungsabfällen kommen kann, was nach einer Eingewöhnungsphase aber kein Problem darstellt.

Dank 250 Watt Zusatzleistung fährt man mit E-Mountainbikes kraftvoll bergauf.
Dank 250 Watt Zusatzleistung fährt man mit E-Mountainbikes kraftvoll bergauf.

Letzten Endes erhält man bei jedem der drei Systeme ein gut funktionierendes, zuverlässiges Produkt. Und eines haben sie alle gemein: Sie sitzen tief am Tretlager und verleihen dem Rad so einen guten Schwerpunkt, beeinflussen die Gewichtsverteilung jedoch nicht. Entsprechend sind Mittelmotoren die besten Antriebe für E-Mountainbikes und Front- oder Heckmotoren fürs Gelände absolut nicht praktikabel. Dieser Faktor ist vor allem für die Fahreigenschaften des Rades bergab entscheidend. Der Motor spielt somit zwar eine große Rolle, ist aber nicht der entscheidende Faktor, welcher dem Rad sein „Gesicht“ gibt.

Schnell und sportlich bergauf: Mit E-Mountainbikes kein Problem.
Schnell und sportlich bergauf: Mit E-Mountainbikes kein Problem.

Oft findet man an Fahrwerken auch eine Kombination aus beidem, so sind sie anfangs sehr linear und verhärten dann gegen Ende des Federwegs. Hier gibt es kein gut oder schlecht, was zählt, ist das Gesamtkonzept und die persönliche Vorliebe des Fahrers. Effizienz spielt im Gegensatz zu Mountainbikes ohne „E“ eine kleinere Rolle, schließlich sorgt ein starker Motor für massig Vortrieb.

Bergauf entscheidet also ein anderer Faktor. Dieser ist bei der Geometrie und der damit verbundenen Tretposition zu finden. Hier hat sich im Mountainbike-Bereich in den letzten Jahren einiges getan. Das Gefühl von hinten zu treten wird dadurch eliminiert. Fast alle Räder in unserem Testfeld setzten dies mit einem Sitzwinkel von 73° und steiler um. Weitere entscheidende Faktoren für das Fahrverhalten eines Rades sind unter anderem die Kettenstrebenlänge, der Lenkwinkel, der Radstand und die Länge des Oberrohrs.

Sie beeinflussen im gemeinsamen Zusammenspiel die Fahreigenschaften und prägen so den Charakter eines Rades. Ein flacher Lenkwinkel (67,5°) – wie ihn das GIANT Full-E+ 0 sowie das CUBE Stereo Hybrid 140 SL 27.5 besitzen – bringt bergab Sicherheit und Laufruhe. Kurze 450-mm-Kettenstreben – wie die des Kreidler Las Vegas und des Focus THRON Impulse – sorgen für agiles Handling und eine hohe Wendigkeit des Rades. Dennoch lassen sich die Fahreigenschaften eines Rades nicht von einem Blatt Papier ablesen, zu sehr beeinflussen sich die einzelnen Faktoren untereinander. Hier hilft nur ein ausgiebiger Test wie wir ihn durchgeführt haben.

Aggressiv und schnell bergab, ein flacher Lenkwinkel macht's möglich.
Aggressiv und schnell bergab, ein flacher Lenkwinkel macht’s möglich.

Spannend ist, dass das Gewicht der Testräder um weniger als 8 % variiert und dies trotz sehr unterschiedlicher Federwegsklassen und starken Abweichungen in der Ausstattung. So schwankten die Räder zwischen 20,15 kg und 21,75 kg – unter die magische Grenze von 20 kg hat es keines der Räder geschafft. Doch sei gesagt, dass auch für das Gewicht der E-Mountainbikes ein anderer Maßstab angelegt werden muss. Denn bergauf erleichtert der Motor die Arbeit enorm, die Unterschiede fallen hier kaum auf und bergab ist, wie beim Thema Fahrwerk schon erwähnt, ein großer Teil des Gewichts an einer äußerst günstigen Position – zentral und tief – am Rad platziert.

Die Fahreigenschaften werden in dieser Hinsicht vom Gesamtgewicht nur marginal beeinflusst und sind am ehesten beim Handling des Rades zu spüren. Die Gleichung „minimales Gewicht ergibt maximalen Fahrspaß“ geht bei E-Mountainbikes nicht auf.

Womit wir beim Punkt Ausstattung angelangt wären. Diese spielt auch bei Bikes mit Motor eine große Rolle. Es zählt aber weniger, ob ein hochwertiges Schaltwerk verbaut ist oder sich zufällig eine Carbon-Kurbel am Rad befindet, sondern viel mehr ein durchdachtes Gesamtkonzept, angepasst an den Einsatzzweck und den Federweg des Rades.

Wie oben bereits erwähnt, spielt das Gewicht eine eher nebensächliche Rolle, die Funktion steht im Vordergrund. Das Mehrgewicht einer Teleskopsattelstütze oder griffiger Reifen ist hier zu vernachlässigen, der Performance-Gewinn steht klar im Vordergrund – übrigens bei jedem Rad! Zusätzlich sind es Faktoren wie ein stimmiges und vor allem nicht zu langes und schmales Cockpit (Vorbau kürzer als 90 mm, Lenker breiter als 720 mm), welche den Fahrspaß und vor allem auch die Fahrsicherheit maximieren. Hier gab es in unserem Testfeld bei einigen Modellen noch Nachholbedarf. Extrem lange Vorbauten (120 mm), starre Sattelstützen, unterdimensionierte Bremsen und kaum profilierte Reifen beschnitten oftmals sonst potente Räder in ihren Fähigkeiten.

Generell gilt, dass einige Maßstäbe und Prioritäten die für Mountainbikes gelten, für E-Mountainbikes vollkommen neu definiert werden müssen.

Über Jahrzehnte hinweg wurden Mountainbikes auf Effizienz getrimmt, um jedes „Watt“ an Beinkraft in Vortrieb umzuwandeln. Tretoptimierte Geometrien, super-effiziente Fahrwerke und Blockierfunktionen für die Federelemente sowie möglichst niedrige Gewichte waren die Mittel zum Zweck. Entsprechend wurden die Reifen auch möglichst leicht konzipiert und an Anbauteilen Gewicht gespart – stets auf der Suche nach dem optimalen Kompromiss. Unzählige Bike-Kategorien mit unterschiedlichen Federwegen und „Stabilitäten“ entstanden. Bei E-Mountainbikes treten ganz neue Prioriäten in den Vordergrund: Die Masse an Federweg eines Fahrwerks hat kaum einen Einfluss auf die Effizienz, die ein E-Mountainbiker tatsächlich benötigt. Stabilität, Sicherheit und Zuverlässigkeit sind die Grundbausteine für hohen Fahrspaß.

Das Gewicht beeinflusst den Fahrspaß nur sekundär, viel mehr zählt eine durchdachte Ausstattung! Mit dem Cube hatten die Tester ihren Spaß!
Das Gewicht beeinflusst den Fahrspaß nur sekundär, viel mehr zählt eine durchdachte Ausstattung! Mit dem Cube hatten die Tester ihren Spaß!

Hier alle 10 Testbikes auf einen Blick

BULS SIX50E- FS3 E-Mountainbike Magazine (4 von 9)

Bulls SIX50-E FS3

Cube Stereo Hybrid 140 SL 27,5 E-Mountainbike Magazine (4 von 11)

Cube Stereo Hybrid 140 SL 27,5

Focus Thron Impulse Premium E-Mountainbike Magazine (6 von 12)

Focus Thron Impulse Premium

Giant Full-E+0 E-Mountainbike Magazine (4 von 10)

Giant Full E+ 0

Haibike-XDURO-FS-RX-27.5-E-Mountainbike-Magazine-3-von-8

Haibike XDURO AMT RX 27,5

Kreidler Las Vegas 2.0 E-Mountainbike Magazine (3 von 9)

Kreidler Las Vegas 2.0 650 B

Riese-und-Mueller-Delite-hybrid-II-E-1

Riese und Müller Delite Hybrid II

Scott E-Spark 710 E-Mountainbike Magazine (1 von 8)

Scott E-Spark 710

Stevens Pordoi E-Mountainbike Magazine (1 von 8)

Stevens E-Pordoi

Trek Powerfly+ 9 E-Mountainbike Magazine (3 von 8)

Trek Powerfly + 9

Hier einmal alle Fakten im Überblick:

Tabelle_Aufmacher
Trail Talk: Noch im Wald besprechen wir erste Eindrücke und Erkenntnisse.
Trail Talk: Noch im Wald besprechen wir erste Eindrücke und Erkenntnisse.
Im Plenum diskutieren wir unsere Testeindrücke und Werten die Ergebnisse der Ausfahrten aus.
Im Plenum diskutieren wir unsere Testeindrücke und Werten die Ergebnisse der Ausfahrten aus.

FAZIT

Viele Hersteller wie beispielsweise Kreidler, Stevens, Scott oder auch Riese & Müller erfüllen bereits etliche der von uns genannten Kriterien, schaffen es aber noch nicht, auf ganzer Linie zu überzeugen. Vor allem dem CUBE Stereo Hybrid 140 SL 27.5, dem Haibike XDURO AMT RX 27.5 aber auch das GIANT Full-E+ 0 und das Focus THRON Impulse gelang es, uns zu begeistern. Diese Räder sind es, die sich mit durchdachten und auf das höhere Gewicht angepassten Komponenten, guten Fahrwerken und stimmigen Geometrien vom Rest der Konkurrenz absetzen.

Trotzdem gibt es noch einiges zu tun. So sind es grundlegende Dinge, wie beispielsweise die an allen Rädern sehr exponierten Displays, die an den harten Geländeeinsatz angepasst werden müssen. Es bleibt also auch in Zukunft weiter spannend, denn schon jetzt stehen die nächsten Konkurrenten – so z. B. die Firma Rotwild, welche mit dem Motorenhersteller Brose kooperiert – in den Startlöchern, ihre neuen Produkte auf den Markt zu bringen und das Level zu steigern.

Am Ende ist es diese Konkurrenz, welche Weiterentwicklungen und Innovationen fördert und beflügelt. Die Reise hat gerade erst begonnen – wir gehen sie mit, leisten Pionierarbeit und freuen uns auf zukünftige Entwicklungen!

Hier das Video zum großen Vergleichstest:

Viele weitere spannende Geschichten findet ihr nicht nur auf unserer Website, sondern auch in der ersten Ausgabe vom E-Mountainbike Magazine, welches wir fürs iPad, unseren Online-Reader und auch fürs iPhone veröffentlicht haben. Wer sie noch nicht kennt, sollte unbedingt einen Blick riskieren – natürlich kostenlos! Das Magazine sieht nirgends so gut aus, wie auf dem Tablet!

Text: Christoph Bayer / Robin Schmitt Foto: Christoph Bayer


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