Das Specialized Kenevo konnte sich letztes Jahr den Sieg in diesem Vergleichstest sichern. Umso gespannter waren wir, wie sich der komplett neu entwickelte Nachfolger auf dem Trail schlägt. Ist das Specialized Kenevo Comp noch immer ein top Allrounder oder ist sein Konzept mittlerweile doch zu radikal?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2020 um 5.500 € – 8 Modelle im Vergleichstest
Bereits auf den ersten Blick macht das Specialized Kenevo Comp mit seinem extrem langen Rahmen (495 mm Reach in L) und dem Stahlfederdämpfer klar, dass es am liebsten schnell und bergab unterwegs ist. Überraschenderweise ist das 5.499 € teure Comp-Modell mit 23,08 kg deutlich leichter als das teurere Kenevo Expert. Das liegt zum Teil daran, dass Specialized mit dem Verzicht auf die Doppelbrückengabel ordentlich Masse einspart. Aber noch viel mehr Gewichtsersparnis ist im Unterrohr des Aluminiumrahmens versteckt: Hier sitzt nämlich nur ein 500-Wh- statt einem 700-Wh-Akku – und die 500-Wh-Version ist über 600 g leichter. Sie speist den Specialized 2.1-Motor, der genauso wie der Geschwindigkeitssensor und die TCU-Einheit perfekt in den Rahmen integriert ist. Beim Fahrwerk setzt Specialized auf eine Marzocchi Bomber Z1 mit Luftfedergabel und einen Marzocchi Bomber CR-Stahlfederdämpfer am Heck; beide stellen jeweils 180 mm Federweg zur Verfügung. Die 27,5”-Laufräder aus Aluminium, die 2,6” breiten Butcher- und Eliminator-Reifen in der robusten BLCK DMND-Version und das Cockpit kommen von Specialized direkt bzw. von der hauseigenen Marke Roval. Gebremst wird mit der SRAM CODE R mit 200-mm-Bremsscheiben. Sie zählt im Testfeld zu den besten Bremsen, konnte uns am Kenevo aber nicht überzeugen. Doch dazu später mehr. In Sachen Schaltung hat sich Specialized für eine antiquierte SRAM NX 11-fach-Variante mit geringer Übersetzungsbandbreite entschieden.
Specialized Kenevo Comp
5.499 €
Ausstattung
Motor Specialized 2.1 90 Nm
Akku Specialized M2-500 500 Wh
Display Specialized TCU
Federgabel Marzzochi Bomber Z1 180 mm
Dämpfer Marzzochi Bomber CR 180 mm
Sattelstütze X-Fushion Manic 150 mm
Bremsen SRAM Code R 200/200 mm
Schaltung SRAM NX 1x11
Vorbau Specialized Trail 45 mm
Lenker Specialized Alloy 800 mm
Laufradsatz Roval Alloy DH 27,5"
Reifen Specialized Butcher BLCK DMND 2,6"
Technische Daten
Größe S2, S3, S4, S5
Gewicht 23,08 kg
Zul. Gesamtgewicht 160 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 136 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein
Besonderheiten
voller Funktionsumfang auch ohne Remote am Cockpit
Individuelle Motor-Charakteristik
integriertes Multitool
Die Geometrie des Specialized Kenevo
Bei der Entwicklung des Kenevo war Specialized bemüht, das Sattelrohr so niedrig wie möglich zu halten, damit es den Kunden bei der Wahl der passenden Rahmengröße nicht unnötig einschränkt. Unser Test-Bike in S4 ist die zweitgrößte Rahmengröße des Kenevo und hat mit 440 mm das kürzeste Sattelrohr im Test. So haben auch kleinere Fahrer immer die Wahl zwischen mindestens zwei Rahmengrößen: kleiner für ein verspielteres Handling und größer für mehr Laufruhe bei Highspeed.
Das Kenevo vermittelt bei Highspeed so viel Sicherheit, dass man sich unbesiegbar fühlt!
Größe | S2 | S3 | S5 | S5 |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 400 mm | 420 mm | 440 mm | 465 mm |
Oberrohr | 585 mm | 612 mm | 639 mm | 666 mm |
Steuerrohr | 105 mm | 115 mm | 125 mm | 135 mm |
Lenkwinkel | 64,0° | 64,0° | 64,0° | 64,0° |
Sitzwinkel | 77,0° | 77,0° | 77,0° | 77,0° |
Kettenstrebe | 454 mm | 454 mm | 454 mm | 454 mm |
Tretlagerabsenkung | 14 mm | 14 mm | 14 mm | 14 mm |
Radstand | 1.234 mm | 1.263 mm | 1.293 mm | 1.322 mm |
Reach | 445 mm | 470 mm | 495 mm | 520 mm |
Stack | 605 mm | 614 mm | 623 mm | 632 mm |
Das Specialized Kenevo Comp im Test
Mit dem super steilen Sitzwinkel von 77° positioniert das Kenevo seinen Fahrer zentral im Bike. Während die Sitzposition für lange Strecken in der Ebene unangenehm ist – mit zu viel Druck auf den Händen –, ist sie bergauf ausgewogen. Der Specialized 2.1-Motor mit seinen 90 Nm ist spürbar kräftiger als die Bosch-Motoren aller anderen Bikes im Test. Obendrein arbeitet er im Standard-Setup des Kenevo absolut natürlich und lässt sich gut kontrollieren. Für Transfer und Uphills auf Forststraßen hat das Kenevo noch ein Ass im Ärmel: den Shuttle-Mode, der extra über die Mission Control-App aktiviert werden muss. Sobald das passiert ist, zieht der Motor seinen Fahrer auch bei wenig Input selbst steilste Rampen mit richtig Bumms hinauf. Für enge Trails ist der kraftvolle Modus in Kombination mit dem trägen Fahrverhalten nicht geeignet. Generell erledigt das Kenevo technische Passagen bergauf allerdings nur mit einer Portion Schwung, denn um sich langsam auch steile Rampen hinaufzuwühlen, fehlt ihm mit der SRAM NX 11-fach-Schaltung der entsprechend leichte Klettergang.
Die Integration des gesamten Motorensystems von Akku über App bis zum Display gelingt keinem Bike im Test so gut wie dem Specialized Kenevo.
Bergab kennt das Kenevo nur eines: Vollgas! Das 180-mm-Fahrwerk arbeitet mit dem Stahlfederdämpfer sehr sensibel und ausreichend definiert. Grobe Brocken und heftige Landungen steckt es ohne Murren weg und schreit nach mehr, noch mehr Speed. Den generiert es am liebsten mithilfe der Schwerkraft in der Falllinie und nimmt selbst super steilen Rinnen und verblockten Steinfeldern ihren Schrecken. Das Kenevo vermittelt bei Highspeed so viel Sicherheit, dass man sich unbesiegbar fühlt! Das einzige Manko: Bei so viel Speed hätten wir uns noch kräftigere und standfestere Bremsen gewünscht. Auf engen und verwinkelten Trails ist mit der extremen Geometrie Vorsicht geboten. Hier muss das Vorderrad sehr aktiv belastet werden, um genügend Grip zu generieren und das Kenevo ums Eck zu zirkeln. Auch auf Flowtrails, z. B. beim Pushen über Wellen oder bei schnellen Richtungswechseln, ist viel Körpereinsatz gefragt, da ein großer Teil der Energie im Fahrwerk versackt. Dafür spielt das Specialized auf Highspeed-Downhill-Strecken in seiner eigenen Liga. Davon profitieren vor allem erfahrene und sportive Biker; Anfänger sollten auf jeden Fall zur kleineren Rahmengröße greifen.
Tuning-Tipp: 220-mm-Bremsscheibe für maximale Bremspower
Fahreigenschaften
7Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspaß
- langweilig
- lebendig
Motor-Feeling
- digital
- natürlich
Motor-Power
- schwach
- stark
Preis-Leistung
- schlecht
- top
Unser Fazit zum Specialized Kenevo Comp
Die neue Generation des Kenevo kann nicht mehr die klasse Allround-Eigenschaften seines Vorgängers bieten: Durch seine progressive Geometrie ist der Einsatzbereich viel spezifischer als bei allen anderen Bikes im Test. Das Specialized Kenevo Comp blüht erst bei hohen Geschwindigkeiten bergab so richtig auf, wo alle anderen Bikes bereits am Limit sind. Specialized-typisch sind Motorintegration, App und Rahmendetails auf Topniveau.
Tops
- keine Grenzen im Downhill
- klasse Motorintegration
- Performance-orientierte Ausstattung
Flops
- 11-Gang-Schaltung
- zu wenig Bremspower für den Trailspeed
- auf flachen Trails fordernd
Mehr Informationen findet ihr unter specialized.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2020 um 5.500 € – 8 Modelle im Vergleichstest
Alle Bikes im Test: CENTURION No Pogo E R2600i (Zum Test) | CUBE Stereo Hybrid 140 HPC (Zum Test) | Haibike XDURO AllMtn 3.0 (Zum Test) | Moustache Samedi 29 Game 4 (Zum Test) | RADON RENDER 10.0 (Zum Test) | Scott Genius eRIDE 920 (Zum Test) | Specialized Kenevo Comp | Trek Rail 7 EU (Zum Test)
Entspanntes und komfortables Biken auf breiten befestigten Wegen, bergauf wie bergab.↩
Uphill auf einfachen Trails mit wenig Hindernissen, weiten Kurvenradien und gemäßigter Steigung.↩
Aktives Fahren und spielen mit dem Gelände auf einfachen Trails mit wenig Hindernissen, weiten Kurvenradien und im gemäßigten Gefälle.↩
Uphill auf Wanderwegen und Singletrails im anspruchsvollen Gelände, beispielsweise mit losem Untergrund, Stufen, Wurzeln, engen Kurven und teilweise extremer Steigung.↩
Downhill auf Wanderwegen und Singletrails im anspruchsvollen Gelände, beispielsweise mit losem Untergrund, Stufen, Wurzeln, engen Kurven und kleinen Sprüngen sowie Steilabfahrten.↩
Ballern bei Highspeed auf schnellen und teilweise sehr ruppigen Trails mit großen Sprüngen und Hindernissen, die sich nicht überrollen lassen.↩
Das Rating der Fahreigenschaften bezieht sich auf die Räder im Vergleichstest und den aktuellen Entwicklungsstand von E-Mountainbikes. Die besten Bikes schaffen es, vermeintlich gegenteilige Fahreigenschaften in sich zu vereinen und sind so z. B. agil und laufruhig zugleich. Das Handling beschreibt die Balance des Bikes im Gelände bergab. Die Angaben zur Motorpower beziehen sich auf das Fahrgefühl im Gesamtkontext des Bikes, nicht auf den Motor isoliert – dadurch können die Werte zwischen gleichen Motoren variieren.↩
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Words: Photos: Finlay Anderson